Zwei Uhr Blues
„Bäda, geh weida, tua ma no oane nei!”
Der Bäda, der grad die Lichter ausmachen will, ist unbegeistert. „Du, i hob praktisch scho zua …“
Aber der Durstige in der Tür schaut hartnäckig aus. Lieber verhandeln.
„Okay, meinetwegn. Solang, bis i de Plattn weida hab. Auf die Schnelle.“
Wenn’s der Bäda ernst meint, geht’s auch mal auf Hochdeutsch.
Der Cowboy lehnt sich schwer auf die Theke, damit die nicht ins Schwanken kommt. Immerhin, das mit der Schnelle klappt, die Halbe ist auf zwei Züge weg. Gleich kommt das Glas wieder angewanzt. Auf so viel Schnelle bringst du nicht mal den Zapfhahn zu.
“Jetz lass ma’s guad sei. I mog dann a ins Bett.”
“Bloß no an Schnitt, dann bist mi los. Gwiß. Woaßt, Bäda, de Kneipn - des is einfach der beste Ort.”
“Um zwoa in der Friah werd des aba zum Nicht-Ort.”
"Des hier is koa Nicht-Ort.“
Sentimental schaut sich der Cowboy um. Der rissige Holzboden, die Plakatwand, die Couch mit dem Hut am Nagel. Hinten bei den Platten liegt noch alles herum, was heute gelaufen ist, Zappa, Tobacco Road, Ornette Coleman, …
“A Nicht-Ort waar vielleicht a Supermarkt. Des gibt’s oft amal in de Filme. Neilig erst, in dem Krimi im Fernsehn, hast gsehn - vielleicht? De Senta Berger als Kommissarin, mit ihr’m Schlaganfall im Gsicht, ganz alloa beim Eikaffa, zwischen volle Regale …”
Dem Bäda wär ja eher der Dude eingefallen, über Senta-Berger-Krimis weiß er nichts.
Er macht sich an die Platten. In dem dämmrigen Gastraum sind die Teelichte bei den Tischen schon abgebrannt, die letzten Flämmchen vergehen flackernd auf der Theke. Er lässt einen Ambros zurück in seine Hülle gleiten, ‘Nie und nimmer’. Seit vierzig Jahren. Passt scho.
“An am Nicht-Ort is alles dod”, macht der Cowboy weiter, „und du kimmst ned vorwärts und ned zruck.“
Mit viel Schaum läuft der Schnitt ins Glas.
“Sauguad, dass’ds ihr wieda aufhabts.”
Der Bäda schraubt vorsichtshalber den Zapfhahn ab. „So, jetz is’ so weit, Cowboy. Jetz pack ma’s.”
Der Cowboy schickt sich drein. "Des war grad genau richtig. Bei dem Durst, den i ghabt hab - lebensrettend, kunnt ma sagn. Auf die Schnelle.”
Die Theke schwankt minimal, als sie wieder allein stehen muss, und der Bäda, mit dem Schlüssel in der Hand, begleitet den Cowboy zur Tür. Der will noch einmal zurück schaun.
“De Kneipn hier - des is definitiv ein Ort."
Der Bäda schiebt ganz sanft an. “I hab ma’s scho denkt."
Als er den Schlüssel endlich herumgedreht hat, wartet er noch einen Augenblick, damit der Andere draußen seinen Weg nicht im Dunklen finden muss.
"Weil’s hier ned einsam is”, hat er noch dazugesagt, bevor er los ist. „A, wenn koana do is. So was find’st heit nimma!“
‚Da is was dran‘, denkt der Bäda. ‚Aba morgn is a no a Tag‘.
Dann schaltet er das Licht aus.
kh